Chuck Berry, von Muddy Waters fasziniert, hat keine Schwierigkeiten die Struktur des Blues leicht zu verändern, um das endgültige Rhythmus-Modell des Rock'n Roll zu kreieren. Zwar ist der Auftritt seines Kollegen Bo Diddley weniger furios, dafür hat der ein Ass im Ärmel: Seine Riffs, eine Abfolge kurzer Melodien, die unablässig wiederholt werden. Die rhythmische Intensität, die von diesem Sound ausgeht, ähnelt dem Boogie eines John Lee Hooker.
Trotz seiner Mimik und exentrischer Posen auf der Bühne hat Elvis niemandem Angst eingejagt. Ganz anders hingegen Eddy Cochran, Gene Vincent oder später Vince Taylor. Sie entsprachen dem von den Medien selbst gekochten Ruf des Rock'n Roll voller Gewalt, Provokation und anderen Ausschreitungen.
Sie, die Interpreten eines abgewandelten Country-Sounds, haben sich einen Habitus zugelegt, der als Provokation empfunden wurde. Von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder gehüllt, verschreckten sie die Elterngeneration, die sicherlich das relativ brave Image eines Elvis Presley vorzog.
Links oben: Eddy Cochran, voll in Fahrt.

Oben: Rock-Invalide Gene Vincent, dessen linkes Bein bei einem Motorradunfall 1955 zerschmettert wurde. 1960 erlitt er bei einem erneutem Unfall in einem Taxi auf der Fahrt von Bristol nach London weitere schwere Verletzungen. Sein Freund Eddy Cochran, der ebenfalls im Taxi saß, starb einen Tag später an seinen Kopfverletzungen.

An den Drums auf den Bildern mit Eddy Cochran und Gene Vincent: Brian Bennett, der 1961 Tony Meehan bei den Shadows ersetzte.

Links unten: Vince Taylor and his Playboys:
Drummer Bobbie Clarke rockt sein Premier-Schlagzeug mit zwei Bass-Drums (hier leider nicht zu erkennen). Vince Taylor wurde als Brian Maurice Holden am 14. Juli 1939 in Isleworth, Middlesex geboren. Seine Eltern emigrierten, als er sieben Jahre alt war, in die USA. 1955 heiratete seine Schwester Sheila den Trickfilmproduzenten Joseph Babera, der auch sein Manager wurde. Babera wurde unter anderem bekannt durch die Trickfimserie "The Flintstones", bei uns als "Fred Feuerstein" bekannt. Eine an die erfolgreiche Serie anknüpfende Zeichnung für die amerikanische Beat-Band "The Beau Brummels" zeigt die Band als rockende Höhlenmenschen.

Die musikalische Ursuppe, ein Mix aus Rhythm & Blues, Country & Western und Gospel, spaltete sich auf: Welten liegen zwischen Little Richard, einem vom Wege abgekommenen Prediger (alias Richard Penniman) und dem braven Paul Anka.
Der eine spielt wie der Teufel Klavier, lebt offen seine Homosexualität aus und posiert auf der Bühne ebenso akrobatisch wie Jerry Lee Lewis und trotz seines rüpelhaften Benehmens ahnt man in Kompositionen wie Lucille oder Long Tall Sally etwas von seiner Arbeit als Gelegenheitsprediger.
Der andere hingegen entspricht eher dem Zuschnitt einer neuen Star-Generation. Auf Trinkstärke herabgesetzte Songs, die eher an Schlager erinnern. Mit Songs wie Diana (1957) macht er den Eindruck eines harmlosen, beruhigenden normalen Jungen, ganz nach dem Muster der braven Kopien der ersten Rock-Stars wie Ricky Nelson (Hello Mary Lou) oder den Everly Brothers (Bye Bye Love und Wake Up Little Susie, 1957). Sie schufen einen Vocalstil, der in den 30er und 40er Jahren en vogue war und sich auf Harmonienreichtum gründet. Eine Lektion, die auch später die Beach Boys und die Beatles lernen sollten.

Gegen Ende der fünfziger Jahre scheint der Rock'n Roll seine ganze ursprüngliche Vitalität eingebüßt zu haben. Viele der wilden Väter des Rock'n Roll sind zahm geworden oder verschwinden ganz von der Bildfläche, oft hilft das Establishment ein wenig nach. Dies gilt für Little Richard, den ehemals skandalträchtigsten von allen, den Mann, der die Philosophie des Rock in dem unsterblichen Satz zusammenzufassen wußte: "A- wop-bop-a-loo-bop-a-lop-bam-boom." Als Prediger Penniman wendet er sich 1957 der Religion zu. Seitdem ist er mal bescheidener Bibelverkäufer, dann wieder heißblütiger Rocker auf den Spuren seiner Jugend.
Little Richard erklärte sich selbst, wie Elvis Presley, zum "King of Rock'n Roll". Neidisch auf dessen Titel, verbietet er seinen Musikern, sich wie Elvis zu benehmen und so wird Jimi Hendrix 1965 vor die Studiotür gesetzt, weil er dies vergaß.

© 1965 Hanna-Babera Productions INC.